MIT FOTOGRAFEN DURCHS JAHR: OKTOBER

Kein Tag ohne den Foto-Rucksack

KREIS ESSLINGEN: Manfred Hirt von den Fotofreunden Altbach durchstreift fremde Länder mit schwerem Gepäck und Ehefrau Petra hilft kräftig mit

Von Regina Schultze

Manfred Hirt ist ein Rucksack-Tourist. Kein Abenteurer, der den großen Rucksack packt und in ferne Länder trampt. Er ist einer, der in jedem Urlaub seine wichtigste Ausstattung auf den Schulterblättern trägt: Zwei Kameras und etliche Objektive hat er jeden Tag im Marschgepäck. Denn im Urlaub fotografiert der 47-Jährige. Leidenschaftlich. Streng genommen: nur im Urlaub. Denn zum Fotografieren braucht er Zeit und gute Laune. „Im Stress gibt’s keine guten Bilder", sagt das Mitglied der Fotofreunde Altbach. Und eine alte Regel besagt, dass genau an dem Tag, an dem man die Ausrüstung nicht dabei hat, einem dann das Jahrhundertmotiv vor die Linse läuft. Für die EZ-Fotoserie hat Hirt eine Ausnahme gemacht: Direkt nach Arbeitsende soll es in die Mettinger Weinberge gehen – ein Termin auf Neuseeland oder in der Toskana war ja leider nicht möglich. Der Ausflug verzögert sich, denn Hirt ist Kriminalbeamter und seit 1980 bei der Polizeidirektion Esslingen. Klar, dass der Raubüberfall an diesem Tag erstmal Vorrang hat. Als der Oberkommissar seinen Teil der Ermittlungen erledigt hat, steht die Sonne noch hoch genug, um gutes Licht in den Weinbergen zu haben. „Es ist schon ziemlich abgeernet. Mal sehen, ob ich noch irgendwo Trauben finde", sagt der Fachmann für Raub und Diebstahl. Den Mettinger Kirchturm, im Volksmund „Faifagrädler" genannt, will er ablichten. Einzelne Bilder sind nicht seine Sache, er will immer ganze Geschichten erzählen, etwa einen Tag bei der Weinlese. Diese Eindrücke verarbeitet er dann zu Diashows. Ein Dutzend große Reiseshows in Überblendtechnik mit Musik und Texten sowie 30 Kurzvorträge hat er in seinem Arbeitszimmer auf Abruf, darunter Neuseeland, Toskana, Schweden, Norwegen, die Atlantikküste.


 Faifagrädler
„Faifagrädler" nennt man den Mettinger Kirchturm. Von dem Wahrzeichen des Esslinger Stadtteils sieht man meist nur die Turmspitze und drei der vier Ecktürmchen – hier blitzt der vierte aber sogar hervor. Diese Aufnahme und die blauen Weintrauben hat Manfred Hirt in den Mettinger Weinbergen fotografiert. Fotos: Manfred Hirt, Krishna Lahoti

 Weintrauben

 Manfred Hirt

Für Herbstzeitlose auf den Boden

Selbst zum Thema Herbstzeitlose hat sich der gebürtige Schwarzwälder eine zehnminütige Show ausgedacht. Die Texte schreibt er selbst, baut manchmal auch Gedichte ein. In der Ich-Form erzählt die Blume mit dem kahlen Stängel von ihrer Ausnahmestellung. Denn die giftige Herbstzeitlose entfaltet ihre blassrosa bis violetten Blüten erst, wenn die meisten anderen Blumen verblüht sind. Schon manche verwunderte Blicke hat der 1,94 Meter große Mann geernet, wenn er sich auf den Boden legt und eine niedergetrampelte Herbstzeitlose fotografiert. Das soll ein Foto wert sein? Nebendran stehen doch welche . . . Inzwischen ist der Mettinger Kirchturm in Sicht – jedoch keine einzige Traube. Inzwischen ist aber auch der Raubüberfall vergessen, der Kripomann ist entspannt und es macht ihm nichts mehr aus, dass er sich an diesem prachtvollen Herbsttag eigentlich lieber aufs Rennrad geschwungen hätte. Ein hässliches Gebäude neben dem Kirchturm stört die Optik. „Mal sehen, ob ich das mit dem Laub abdecken kann . . ." Das klappt. Für das erste Foto stellt der Mann aus Vöhrenbach bei Furtwangen die Rebstöcke im Vordergrund scharf, fürs zweite den Kirchturm. Erst in drei Tagen wird er wissen, ob alles so ins Bild gesetzt ist, wie er das geplant hat. Denn Hirt gehört noch zu den Leuten, die nicht mit Digitalkamera auf die Pirsch gehen. Diese Gruppe wird von Jahr zu Jahr kleiner. Das hat Folgen: „Diafilme kann man nirgendwo mehr über Nacht entwickeln lassen", hat er in drei Geschäften in Esslingen erfahren. Wobei er überzeugt ist, dass die Schärfe der Digitalbilder auf der Großleinwand (noch) nicht an die Diaqualität heran kommt. Eine Streitfrage, über die oft im Altbacher Fotoclub diskutiert werde. Für den EZ-Ausflug hat Hirt ausnahmsweise auf das Stativ verzichtet. Wobei er auf einen exzellenten Service zurückgreifen kann: „Das trägt meistens meine Frau Petra", sagt Hirt und strahlt. Die Ex-Mettingerin, die mit ihm in Berkheim lebt, trägt sein Hobby mit und scheint ein Glücksgriff zu sein. Kein Gemecker, wenn der Angetraute nicht zügig läuft, sondern Motive ausguckt, unterschiedliche Standorte probiert, die Kameras auspackt und das Bild zigmal durchkomponiert, bevor er den Auslöser drückt. Nein, dann zaubert die Gattin aus ihrem Spazierstock einen Sitzhocker, lässt sich nieder und liest. Oder sie fotografiert selbst mit ihrer Digitalkamera. Die Frau an seiner Seite ist nicht nur seine erste Kritikerin, sie hat auch für seine Leidenschaft einen Sprechkurs absolviert: Beide sprechen abwechselnd die Texte für die Diashows. Die Fotos von Manfred Hirt – sie sind ohne jegliche Manipulation gemacht, da legt er Wert drauf – haben Qualität: Seine „Rennenden Kinder am Strand" aus Neuseeland kamen beim EZ-Fotowettbewerb „Blende" 2000 auf den 2. und beim Bundesfinale auf den 21. Platz. Neueste Nachricht: Dieses Jahr erhält Hirt einen Buchpreis

(Quelle: Esslinger Zeitung 30.10.2006)